Die konventionelle/ konservative Vertragsgestaltung bei Verträgen rund um Bau und Immobilien stellt – provokativ ausgedrückt – „sicher“, dass die Vertragsparteien sich im Laufe des Projektes streiten.
Bereits die Vertragsverhandlungen schaffen keinen Ausgleich zwischen Zielkonflikten: Der Aufraggeber stellt sich vor, innerhalb kürzester Zeit ein Bauwerk mit hoher Qualität zu einem niedrigen Preis zu erhalten. Risiken will er mit Bürgschaften und Vertragsstrafen absichern. Die Leistungen des Auftragnehmers zur Erreichung dieser Ziele sollen „unbegrenzt“ sein.
Der Auftragnehmer erkennt das natürlich und will die Risiken möglichst von sich fern halten, indem er sie in den Vertragsverhandlungen auf den Auftraggeber oder andere Projektbeteiligte abzuwälzen versucht. Er sucht nach Fehlern und Lücken in der Leistungsbeschreibung des Auftraggebers bzw. danach, was Planer oder sonstige weitere Projektbeteiligte übersehen haben, mit dem Ziel, später aus diesen Lücken und Fehlern Profit („Nachträge“) zu schlagen.
Dort, wo es dem Auftragnehmer nicht gelingt, Risiken abzuwehren oder einen auskömmlichen Preis zu vereinbaren, versucht er, die Risiken und den unauskömmlichen Preis zu den gleichen knebelnden Bedingungen auf Subunternehmer abzuwälzen. Damit ist mit der herkömmlichen, konventionellen/konservativen Vertragsgestaltung der Konflikt vorprogrammiert.
Mediation hilft, diese Konflikte nicht nur im Streitfall zu lösen. Vielmehr eignet sich Mediation in den Phasen
- der Vertragsanbahnung und Vertragsverhandlung
- der Projektdurchführung und Projektrealisierung sowie
- nach Projektabschluss für bis dahin nicht gelöste oder danach entstehende Streitigkeiten.
Der mediativ-kooperative Bauvertrag: Mediation in Vertragsanbahnung und Vertragsverhandlungen
Baukostensenkung und Konfliktvermeidung durch Veränderung der Bauvertragsstruktur – dieses Ziel verfolgt der Lösungsansatz eines “mediativ-kooperativen” Bauvertrags.
Die konventionelle Bauvertragsgestaltung führt nach Ansicht vieler unter Wettbewerbsbedingungen zur maximal möglichen Reduzierung der für die Bauleistung zu bezahlenden Vergütung. Bei näherer Betrachtung einer Vielzahl konventioneller Bauverträge werden diese Erwartungen aber fast nie erfüllt. Der letzten Endes zu bezahlende “Preis” ist wegen der “Nachtragsanfälligkeit” der konventionellen Vertragsstruktur und oft hinzutretender Konfliktbehandlungskosten regelmäßig viel höher als die bei Vertragsschluss vereinbarte Ursprungs-Vergütung.
Die mediativ-kooperative Bauvertragsgestaltung sorgt demgegenüber dafür, dass der finanzielle Gesamtaufwand aus “Vertragspreis und Kooperationsaufwand” geringer ist, als die Summe aus finalem Vertragspreis zuzüglich direkter und indirekter Kosten der Konfliktbehandlung bei der konventionellen/konservativen Bauvertragsgestaltung: Kooperative, mediative Vertragsgestaltungen greifen die aus der Konfliktmediation bekannten Wirkmechanismen auf und überführen sie in entsprechende Vertragsklauseln bzw. in eine entsprechende, auf Kooperation aufbauende Vertragsstruktur.
Es handelt sich dabei keineswegs um “weiche” oder “entgegen kommende” Verträge, sondern um eine andere Struktur und einen anderen Aufbau der Verträge. Die aus der Konfliktmediation bekannten Begriffe “Nullsummenspiele” und “win-win-Situationen” lassen sich auch auf die Vertragsmediation übertragen: Anstatt mit Vertragsstrafen wird mit Anreizsystemen gearbeitet und es wird ein gemeinsames Projektziel vertraglich festgelegt. Die gegensätzlichen Interessen werden nicht gegeneinander ausgespielt und Risiken abgewälzt, sondern es werden gemeinsame Interessen definiert und Risiken angemessen verteilt.
Der Auftragnehmer wird quasi dafür “belohnt”, keine Nachtragsforderungen zu stellen. Vertraglich vereinbart wird ein Verfahren als Konfliktmanagementsystem, das den Parteien während der Projektabwicklung helfen soll, auftretende Probleme zu lösen. Kooperationsfördernde Gestaltungselemente treten an die Stelle konflikterzeugender Mechanismen. Im Rahmen des in Australien eingesetzten Alliance-Contracts sind die Grundgedanken des kooperativen Bauvertrages bereits praktisch erprobt.
Die Gedanken zum mediativ-kooperativen Bauvertrag lassen sich auf andere Projektverträge der Immobilienwirtschaft übertragen. Auch dort können mediativ-kooperative Elemente dazu beitragen, Konflikten im Ansatz vorzubeugen.
Projektbegleitende Mediation: Mediation in Projektdurchführung und Realisierung
Die projektbegleitende Mediation eröffnet den Projektbeteiligten bereits während der Phase der Projektdurchführung die Möglichkeit, dauerhaft und selbstbestimmt tragfähige Lösungen im Falle auftretender Schwierigkeiten zu finden.
Hierbei unterscheidet sich die Mediation grundlegend von anderen Verfahren der Konfliktbearbeitung, die den Parteien oftmals nur vorläufige und fremdbestimmte Lösungsansätze anbieten können.
Im Gegensatz dazu bleiben die Parteien bei der projektbegleitenden Mediation selbst die Entscheider ihres Konflikts. Die damit einhergehende Akzeptanz der gefundenen Lösung führt regelmäßig zu einer endgültigen Beilegung des Streits und verhindert ein bloßes Hinausschieben der endgültigen Konfliktbereinigung.
Konfliktmediation: Mediation im Konfliktfall sowie nach Projektabschluss
Die gerichtliche Praxis zeigt, dass Bau- und Immobilienstreitigkeiten nach einer oft jahrelangen Verfahrensdauer häufig nur zu einem unbefriedigenden Vergleich führen. Auf dem Weg dorthin wenden die Parteien regelmäßig wertvolle Ressourcen auf. Die Qualität des gefundenen Verfahrensabschlusses hängt aufgrund der Abgabe der Entscheidungskompetenz an Dritte von zahlreichen Zufällen ab, die die Parteien nicht selbst beeinflussen können. Die Mediation bietet den Projektbeteiligten demgegenüber die Möglichkeit, zielgerichtet kostengünstig, schnell und vor allem selbstbestimmt eine dauerhafte Erledigung des Konflikts zu erreichen. Ressourcenvergeudende Umwege werden vermieden. Die Parteien behalten während des gesamten Mediationsverfahrens die Entscheidungskompetenz zur Konfliktlösung selbst in der Hand.